1991-Club80-34 S.39
Leserbrief zu

Newdos, CPM, MS-DOS, UNIX

von Gerald Schröder
in1990-Club80-32

Gerald, grundsätzlich sprichst Du mir aus der Seele. Ähnlich ketzerische Äußerungen zu MS-DOS und PC und ihre Verwandtschaft zu NEWDOS und Trash-80 habe ich - glaube ich - vor längerer Zeit auch schon mal im Info verbreitet. Dazu stehe ich auch heute voll und ganz. Hier will ich aber mal versuchen, die Sicht des Anwenders dagegen zu stellen und ein paar positive Seiten der beiden Anachronismen hervorheben.

Gehen wir aber zuerst mal gute 10 Jahre zurück: Damals hat ein kleiner Bauchladen Namens Radio Shack einen Billigst-Computer herausgebracht und in den USA über die Tandy-Kette verkauft. Wegen des niedrigen Preises war das Gerät ein Riesenerfolg und wurde in großen Stückzahlen verkauft. Daraufhin schossen etliche Software-Firmen aus dem Boden und brachten gute Betriebs-Systeme und gute Programme auf den Markt. Dieses für damalige Verhältnisse riesige Software-Angebot hätte es bestimmt nicht gegeben, wenn der TRS-80 nicht aufgrund seines niedrigen Preises eine solche Verbreitung gefunden hätte und dadurch für die Softfirmen ein entsprechender Markt bestanden hätte.

Big Blue's PC hat sich zunächst natürlich nicht des günstigen Preises (der kam erst sehr viel später durch Taiwan-Konkurrenz) sonder wegen der Machthörigkeit der ganzen Branche (auch der Fachpresse) verbreitet, obwohl die Erfinder des Gerätes sich alle Mühe gegeben hatten, ein möglichst primitives System zu schaffen, das man durchaus billiger verkaufen könnte. Das Vorhandensein von DMA-Controller und Timer war nicht etwa eine großzügige Ausstattung zugunsten von mehr Performance sondern für den Refresh der dynamischen RAMs nötig, weil die CPU das nicht wie ein Z80 selbst erledigt. An diesem Murks orientieren sich auch heute noch alle Neuschöpfungen des Industrie-Standards, so daß Software für den PC-XT auch noch auf einem EISA-486er-AT läuft.

Bei diesem Softwaremarkt stürzten sich alle Softfirmen auf den großen Kuchen und niemand hatte mehr etwas für andere Systeme zu bieten. Die Fülle der Anwenderprogramme führte dazu, daß die Programme nicht mehr nur die eigentlich bezweckten Funktionen erfüllen mußten, um gegenüber der Konkurrenz bestehen zu können; sie mußten auch durch originelle äußerliche Gestaltung das Interesse des Käufers auf sich lenken. Die 'Benutzeroberfläche' war erfunden.

Sowas läßt sich aber nur programmieren, wenn man die volle Kontrolle des Bildschirms hat. Ein unter CP/M übliches Terminal ist dagegen ein Datengrab, das kaum Kontrolle darüber zuläßt, was wo im Bildschirm steht. So erfolgen die Bildschirmausgaben bei den meisten Programmen unter CP/M zeilenweise. Wer unter CP/M mit DU.COM gearbeitet hat, sehnt sich nach SUPERZAP von NEWDOS/80 oder DEBUG zurück, wo das alles schon sehr viel eleganter durch Bewegen des Cursors über den ganzen Bildschirm möglich war und das auch nur wegen der festgelegten Hardware und des memory mapped Bildwiederhol-Speiches, den die CPU selbst verwalten muß bzw. manipulieren kann. Fenstertechnik ist nur möglich, wenn Bereiche des Bildwiederhol-Speiches ausgelagert werden können, und nach Schließen des Fensters wieder restauriert werden können.

Programme unter CP/M, die ansatzweise diesen Komfort zu bieten haben, müssen installiert werden. Die dabei durchzustehenden Fragen bringen auch einen alten Hasen gelegentlich aus dem Tritt, wenn er nach dem ersten Durchgang merkt, daß seine Annahme, er müsse die Daten in HEX eingeben, falsch war, und er nochmal wieder die entsprechenden Informationen zu seinem Terminal im Handbuch nachschlagen muß.

Auf dem PC bedeutet installieren im schlimmsten Fall, der Software bekanntzugeben, was für eine der 3 denkbaren Videokarten denn nun im Gerät steckt; das kriegt noch jeder hin, weil er sich beim Kauf des PCs wegen der sehr unterschiedlichen Preise darüber Gedanken gemacht haben muß. Meistens bemerkt das Installtions Progamm die Existenz der jeweiligen Videokarte aber selbst und belästigt den Anwender garnicht erst mit entsprechenden Fragen.

Ähnlich verhält es sich mit der Tastatur: Wie beim TRS-80 erhält die CPU nur Informationen von der Tastatur, welche Taste gedrückt bzw. losgelassen wird. In beiden Fällen muß die CPU sich aus der Identität der gedrückten Tasten selbst ein ASCCI-Zeichen basteln oder sich sonst einen Reim daraus machen. Und da man mit TSR-Programmen beim PC selbst in die Auswertung der Tastatur- Scancodes eingreifen kann, ist ein kleiner Geschmack von Oligo-Tasking möglich ("Multi-Tasking" wäre etwas zu hoch gestochen.

Ein weiterer Schachzug der Softwarefirmen war, in die Programme eine jederzeit zugängliche Online-Hilfe einzubauen, die ein ständiges Blättern im Handbuch (und schließlich das Handbuch selbst) unnötig machte. Jeder konnte recht schnell mit einem Programm umgehen. Natürlich kostet das Bereitstellen von Hilfstexten und auch die üppige Austattung der Programme mit Menüs Speicherplatz.

Dem Anwender sind Kriterien wie Portabilität und Hardware- Unabhängigkeit ziemlich schnuppe; er will möglichst schnell sein Programm beherrschen können und vom Programm eine geschmackvolle Bildschirmgestaltung geboten bekommen. Er kann ohnehin nicht beurteilen, mit welchem Aufwand an Gehirnschmalz die einzelnen Funktionen des Programms realisiert worden sind. Wenn er ein neues Programm vor sich hat, dort seine gewohnte SAA-Oberfläche wiederfindet und auch gleich ein paar minimale Funktionen bewirken kann, ist das Erfolgerlebnis größer, als wenn er nach vielen Schiffbrüchen endlich in der Lage ist, durch kryptische Befehle gewisse Funktionen auszulösen.

Helmut Bernhardt